Analog

Wer fotografiert schon noch analog? Heute gelingen mit jedem Mobiltelefon, das auf Neusprech Handy genannt wird, im Handumdrehen Bilder, die ohne jeden Aufwand in der Welt herum geschickt, an Monitoren, Fernsehern und selbstverständlich auf den Displays anderer Mobiltelefone betrachtet und, eigentlich unnötig, sogar ausgedruckt werden können.
2000 Fotos, so schätzten Experten 2015, entstanden pro Sekunde (!) weltweit. 2017 waren es 1,2 Billionen (Statista), wovon 85% auf das Smartphone entfielen und nur 10% mit Digitalknipsen geschossen wurden. Die Bilder, meist ebenso nichtssagend wie überflüssig, wichtig nur für den Moment, um zu sagen, ich war hier mit dem und dem, werden ins Internet hochgeladen, in sozialen Netzwerken der Allgemeinheit zur Betrachtung zur Verfügung gestellt, allein auf Instagram 1000 pro Sekunde
, und – sind im nächsten Augenblick vergessen.
„Der Foto-Film stirbt langsam aus“ titelte der Spiegel noch im August 2015, und wusste weiter zu berichten, dass lediglich eine kleine Konsumentengruppe dem digitalen Trend trotzt. Es seien v.a. ältere Kunden in ihren Gewohnheiten und ein paar Freaks, die den Schaffensprozess vom Auslösen bis zum fertigen Bild als künstlerische Handlung der Authentizität wegen schätzten.

Andere Medien sehen es zuversichtlicher. Laut einer Umfrage eines der größten Hersteller für Fotofilm „Illford“ seien ein Drittel der Analogfotografen jünger als 35 Jahre. Oft sind es Altgeräte der Eltern, die reaktiviert würden. Der Macher vom Kamera-Service Ostkreuz, Michael Prügel, dessen Kompetenz meiner Six neues Leben einhauchte, wird zitiert, er habe acht bis zehn Reparaturannahmen alter Kameras pro Tag. (Berliner Zeitung, 12.03.2015)
Derweil bricht der Markt von kompakten Digitalknipsen zusammen. Die Umsatzzahlen in diesem Marktsegment haben sich halbiert, während sich der Umsatz von Smartphones im gleichen Zeitraum (2011) auf über 12Mio verdreifachte, der Trend ist nicht zu stoppen. Im Zeitalter von iPhone u. Samsung sind Kompaktkameras überflüssig geworden.
Unlängst entdeckte ich in einem der Mega-Supermärkte, dass man dort wieder Filme zum Entwickeln abgeben kann und Neue zu kaufen bekommt. Längst schmücken Schwarz-Weiß-Film-Marken wie Illford und Fomapan die Regale kleiner, erlesener Läden, und – werden verkauft, sonst gäbe es sie nicht.
Die Preise in der großen Bucht für gebrauchte Fotoapparate haben deutlich angezogen, Klassiker von Rolleiflex und Hasselblad erzielen Höchstpreise, wo noch vor Kurzem Prakticas für wenige Euro verschleudert wurden. Längst gibt es im Blätterwald der „Fachzeitschriften“ ein Magazin („PhotoDeal“) für die alten Schätzchen. Im Netz präsentieren immer mehr Sammler und Fans ihre fundierten Kenntnisse zur Geschichte der Fototechnik (siehe „Links“). Selbst aktuell neu hergestellte „analoge“ Kameras finden Sie, wenn Sie nur wollen. Besuchen Sie bspw. den kleinen, sehr feinen Laden „Foto Impex“ in der Alten Schönhauser in Berlin. Der Begriff „Analogfotografie“ ist an sich fehlerhaft. ‚Analog‘ (altgriechisch-análogos) bedeutet ‚verhältnismäßig‘ und wird in der Alltagssprache für das Beschreiben von Gleichartigkeit im weitesten Sinne, aber auch für ’stufenlos‘, ‚gleichmäßig‘ verwendet. Mit der Erfindung der digitalen Klangerzeugung, bei der das Signal paketweise in Daten aus Null und Eins bestehend gewandelt wird, wurde die ältere Form der Aufzeichnung via Magnetband od. Wachsmatrize als ‚analog‘ bezeichnet, da der Schall stufenlos und unterbrechungsfrei aufgezeichnet wird und als glatte Funktion grafisch dargestellt werden kann. Bei der Entstehung eines Bildes ist dergleichen absurd. Vielmehr hat sich das Lexem ‚analog‘ zu einem Antonym von ‚digital‘ entwickelt. Alles was heute nicht digital ist, ist eben analog. Besitzer umfangreicher Vinylplattensammlungen werden dem beipflichten. Wir leben in einem digitalen Zeitalter. Nicht das kleinste Helferlein im Haushalt, wie eine Eieruhr oder Küchenwaage, kommt heute noch ohne Mikroprozessor u. die damit verbundene digitale Wandlung von Daten aus. Überall Displays, Leuchtdioden, Füllstandsanzeigen, digitale Wetter-, Land- u. Himmelskarten. Steigen Sie in Ihr Auto und der Chip, der heute den Autoschlüssel ersetzt, ist defekt, werden Sie sich keinen Meter fortbewegen können. Eine Ersatzkarte müssen Sie für viel Geld unter Angabe sämtlicher Fahrzeugdaten beim Hersteller bestellen. Früher genügte ein Schlüsseldienst. Fotografie kann weder digital noch analog sein. Die Bilderfassung ist in jedem Fall von der Lichtmenge u. der Absorbtion der Farben abhängig, das geht dem Sensor so wie dem Filmmaterial. Die Helligkeitsunterschiede, die der Sensor bestehend aus lichtempfindlichen Photodioden erfasst, werden danach erst in digitale Daten gewandelt u. gespeichert und müssen zum Betrachten zwingend zurück gewandelt werden. Das Filmmaterial verhält sich demgegenüber etwas anders. Die Bildinformation liegt nach der Belichtung latent, also unsichtbar, auf einer Schicht aus Gelatine u. diversen lichtempfindlichen Emulsionen vor. Erst die chemischen Reaktionen bei Filmentwicklung bringen das fotografierte Bild zum Vorschein, in der Regel invertiert, also als Negativ (Ausnahme Umkehr- od. auch Diafilm). Um es real betrachten zu können bedarf es auch hier weiterer Maßnahmen. Früher wurde das Negativ mittels Licht auf mit empfindlichen Schichten überzogenes Papier übertragen, gegebenenfalls vergrößert. Heute übernehmen diesen Job spezielle Scanner und – wir haben wieder ein digitales Bild.
Mit einem Profi-Fotografen, der tatsächlich von seiner Arbeit recht gut leben kann, unterhielt ich mich vor einiger Zeit. Bei dem Thema traditionelle Fotografie winkte er nur müde ab. Er würde sich nicht mehr in eine Dunkelkammer stellen und sich mit stinkenden Chemikalien herum plagen. Das habe er die erste Hälfte seiner Kariere getan, aber das sei gottlob vorbei. Sein Bildbearbeitungsprogramm habe ein Plug-In, das sämtliche Emulsionen, Entwicklerlösungen und Papiersorten simuliere. Wenn er da ein Jpg. durchjage, sähe es aus wie ein altes Foto. Warum also das ganze Geseire um „analoge“ Knipserei, Lomographie, veraltete Technik. Die sich darum bemühten, seien oft genug Leute, die sich mangels Erfolg oder Können als die besseren, weil „richtigen“ Fotografen hinstellten usw. usf. Was also ist anders beim Fotografieren mit alten Fotoaparaten?

Auf diesen Seiten stelle ich diverse alte Kameres vor und berichte von meinen Erfahrungen beim Umgang mit einem archaischen Medium.