Franz Kochmann ist heute nur wenigen ein Begriff, und doch darf man ihn zu den Pionieren der Kamera-Entwicklung zählen. 1921 gründete er seine Fabrik für photgraphische Apparate. Seinen ersten Korelles der frühen 30er Jahre war einiger Erfolg beschienen, nicht zuletzt weil sie sich auf hohem Fertigungsniveau befanden.
Doch schon 1923/24 hatte Kochmann seine erste einäugige Spiegelreflexkamera, die Reflex-Enolde, herausgebracht. In der Zwischenzeit arbeitete der Hersteller weiter an der Spiegel-Reflex-Idee und stellte zur Leipziger Messe 1935 die Reflex-Korelle6x6 vor, die mit innovativer Technik und gefälligem Design aufwartete. Hinsichtlich der Formgebung nimmt sie vieles vorweg, was bis heute bei Spiegelreflexkameras allgemeiner Standard ist. Neben einem Bildzählwerk, das an den Schnellspannhebel gekuppelt ist und einem klappbaren Spiegel, der nach Auslösen das Bild wieder frei gab, war es die Möglichkeit der Verwendung von Wechselobjektiven, was als Technologie bis in die heutige Zeit erhalten blieb.
Hinzu kam ein Selbstauslöser und ein Sportsucher, der den Drang nach Schnelligkeit beim Knipsen in Action befriedigen sollte. Auch der Tuchschlitzverschluss war absolut auf der Höhe der Zeit. Ähnliches kannte man von der Leica und den ersten Exaktas der frühen 30er Jahre.
Franz Kochmann wurde genau wie Benno Thorsch (KW Niedersedlitz, Wegbereiter der Praktica) Opfer der politischen Verhältnisse in Deutschland. Als Jude blieb ihm 1938 nur die Flucht. Sein Eigentum ging in die Hände von G.H. Brandmann über. Am 13. Februar 1945 wurde das Korelle-Werk vollständig zerstört und schließlich 1946 enteignet.
Nach dem Krieg hielt man sich zunächst mit der Herstellung von Kartoffelschälern und Bleistiftanspitzern über Wasser, ehe man dazu übergehen konnte, sich unter volkseigener Hohheit erneut dem Kamerabau zu widmen. Die Kochmann-Werke, oder das was davon noch übrig war, wurden 1948 in die VEB WEFO-Werkstätten integriert und gehörten ab 1951 zu den VEB Welta-Kamera-Werken.
Die Meisterkorelle von 1950 als direkter Nachfolger der Reflex-Korelle war ein letzter Versuch, an die innovativen Zeiten anzuknüpfen, freilich ohne großen Erfolg. Beide Apparate dürften jedoch Pate gestanden haben bei der Entwicklung der legendären Praktisix, später Pentacon Six, der Kamera, die mit Sigmund Jähn den Weltraum besuchte.
Die Meisterkorelle ist recht leicht (880g, Praktisix mit Lichtschachtsucher 1,3kg) und besitzt wie ihr Vorgänger einen Tuchschlitzverschluss mit Zeiten von 1-1/1000stel Sekunde. Der Spiegel wird mit dem Auslösehebel hochgeklappt, danach öffnet sich der Verschluss. 1951 wurde die Herstellung eingestellt. Grund dafür soll die anfällige Mechanik gewesen sein. Ensprechend selten und auch teuer sind die Modelle auf dem Sammlermarkt.
Besondere Beachtung verdient das Primotar-Objektiv. Wie das Tessar ist es ein Vierlinser. Die schon vor dem Krieg bestehende Monopolstellung Carl Zeiss Jenas hatte es anderen Herstellern oft schwer gemacht, am Objektivmarkt gegenzuhalten. Allein der Bedarf war höher als das Angebot, und so brachte über die Jahre Meyer Görlitz verschiedene interessante Linsen heraus (Bsp. Trioplan), die zu beachtlichen Abbildungsleistungen in der Lage waren. Die Rivalität flammte auch unter sozialistischen Verhältnissen wieder auf. Die Jenenser hielten die Hand auf die notwendigen Spitzen-Glassorten. Umso höher ist zu bewerten, dass Meyer, mit minderwertigem Glas auskommend, zu Spitzenleistungen wie dem Primotar in der Lage war.
Voigtländer war einst ein renomiertes Unternehmen im Bereich Optik und Kameraherstellung, dessen Ursprünge bis auf das Gründungsjahr 1756 zurück gehen. Schon bald nach der Erfindung der Photographie beschäftigte sich die Firma mit der Herstellung von Objektiven und Kameras. Das erste berechnete Objektiv entstand 1840 aus den Vorlagen des Mathematikers Joseph Maximilian Petzval.
Als 1958 die Bessamatic auf den Markt kam, galt sie mit Recht als eine der innovativsten Apparate aus westdeutscher Produktion. Zwar hatte man an dem leidigen Zentralverschluss festgehalten, allerdings gab es mit einem gekuppelten Selenbelichtungsmesser den nötigen Bedienkomfort, um ohne Zubehör korrekt belichtete Bilder zu schießen.
Die Verschlusslamellen befanden sich im Gegensatz zur Contaflex hinter der ersten Linse, so dass es Voigtländer gelang, ein stattliches Arsenal an „echten“ Wechselobjektiven zur Verfügung zu stellen, unter anderem 1959 das erste Zoom-Objektiv Zoomar 35-82mm. Die Kamera ist wuchtiger als die Contaflex-Schwestern und mit 965g kein Leichtgewicht. Dank hochwertiger Linse und präziser Verarbeitung gelingen Fotos zur Zufriedenheit.
Die Historie der Marke ist eines der traurigsten Kapitel deutscher Kamerageschichte. 1956 hatte Schering aufgrund permanent roter Zahlen seine Anteile an Zeiss-Ikon verkauft. Fortan bremste der Mutterkonzern, wo er konnte, um seine eigenen Modelle am Markt zu platzieren. Ein Prototyp mit Schlitzverschluss wurde schlicht untersagt weiter zu entwickeln. Bessamatic und später Ultramatic kamen sich markttechnisch mit der Contaflex ins Gehege. So nimmt es nicht wunder, dass die Braunschweiger 1972 mit Zeiss Ikon in die Pleite fuhren.
Die erste Super Baldina gab es bereits 1938. Ziemlich spät, 1935 (nach Jehmlich), stiegen die Dresdner Balda-Werke in die Produktion von Kleinbildkameras ein. Nach der ersten Baldina folgte 1936 die Super Baldina, eine Messsucherkamera mit Balgen und Zentralverschluss. Am 13. Februar 1945 wurde das Werk zu Teilen zerstört. Noch vor dem Volksentscheid in Sachsen im Sommer 1946 übersiedelte Firmengründer Max Baldeweg in den Westen und gründete in Bad Oyenhausen die Balda AG, die bis 1989 Kameras produzierte.
Die Nachfolgerin der ersten Super Baldina mit gleichem Namen erblickte 1954 das Licht der Welt. Von einer Klappkamera mutierte der Apparat zu einer Springkamera. Per Knopfdruck schießt der Tubus nach vorn in seine Arbeitsposition. In Ruhepusition fungiert der Mechanismus als Auslösesperre.
Die Kamera wurde mit verschiedenen Objektiven ausgeliefert, von denen das Baldanar, ein Dreilinser, das einfachste war. Entsprechend günstig kann man solch ein gut erhaltenes Modell bekommen. Nach einem Foma 320er Classic, der sehr körnig war, versuchte es der Knipser mit einem 100er der gleichen Marke mit ansprechenderen Ergebnissen. Leider gibt es auf den Negaltiven einige Längsstreifen. An welcher Stelle die Kamera die Kratzer verusacht, war nicht zu ermitteln.
Bereits Mitte des 19. Jhds. gab es die ersten Kleinstkameras. Sie wurden mit Fotoplatten von 25mm Kantenlänge geladen. Das Interesse an Mini-Apparaten, mit denen sich unauffällig knipsen ließ, riss nie ab. Seit der Erfindung der Fotografie waren unterschiedlichste Spionagekameras enzwickelt worden. Eine der bekanntesten Kleinstkameras war die Minox, die, 1938 vorgestellt, mit einem Format von 11x8mm arbeitete.
Nach dem 2. Weltkrieg boomte der Mikro-Sektor. Japanische Billigheimer, die eher in die Rubrik „Spielzeug“ passten, überschwemmten den europäischen Markt.
Daneben gab es ernst gemeinte Versuche. Um die Mitte der 50er Jahre begann in Frankfurt am Main Walter Kunik, Fotoapparate im Miniaturformat herzustellen. Sein erster Wurf „Petie“ (1) datiert auf das Jahr 1956.
Das Modell verwendete einen speziellen 16-mm-Rollfilm. Die quadratischen Negative hatten eine Größe von 14x14mm. Wahrscheinlich zeitgleich oder kurz darauf kam die Petie II auf den Markt. Sie war nahezu baugleich, erhielt jedoch mit einer goldfarbenen Optik ein wertigeres Outfit und kostete mit 24,50DM ca. zehn Mark mehr, als die Basisversion. Die Ausstattung ist denkbar einfach. Die Verschlusszeit beträgt 1/50stel Sekunde. Eine sogenannte Meniskus-Linse ohne Fokus zeichnet bei fester Blende 11 und 25mm Brennweite ab einen Meter scharf. Voraussetzung dafür ist ausreichend Licht, denn empfindlichere Filme machten bei solch kleinem Negativ aufgrund des groben Korns keinen Sinn. Ohnehin waren brauchbare Abzüge bis maximal 6x6cm machbar.
Kunik baute in der Folge neben einer Kamera in einem Feuerzeug und einer in einer Puderdose für die Frauen, die heute bei Sammlern vierstellig gehandelt werden, zwei weitere Modelle, die einiges mehr an Bedienkomfort boten. 1960 erschienen die Tuxi mit zwei Blenden und Blitzsynchronisation und der Tuximat mit eingebautem Selen-Belichtungsmesser. Als letztes Modell ist die Ompex bekannt geworden, die im Wesentlichen der Petie entspricht. Danach verschwand die Marke, ohne weiter Spuren zu hinterlassen
Das gezeigte Modell wurde mir von einem befreundeten Bekannten (Danke Heiko!) temporär zur Verfügung gestellt und soll als Kuriosität gezeigt werden. Die Original-Negative lagen dem Apparat bei und stammen wahrscheinlich aus der Zeit. Sie zeigen, mit wie wenig man damals zufrieden war.
Spätestens nach den Juni-Unruhen hatten die Führungskader in der DDR begriffen, dass von Brot und sozialistischem Enthusiasmus allein die neue Gesellschaft nicht zu gestalten war. Die Leute wollten sich endlich etwas kaufen für ihr Geld. Neben den Auswirkungen des kalten Krieges, der stetigen Vorführung der SED durch den „Klassengegner“, Abwerbung von Fachkräften und diverser Sabotageakte war es nicht zuletzt der stalinsche Weg der primären Förderung der Schwerindustrie, der die Geschäfte im Arbeiter- und Bauernstaat leerer werden ließ.
Nach dem Schock für die Herrschenden ging man dazu über, die Konsumgüterindustrie zu stärken, um Druck aus dem Kessel zu nehmen. Infolge dieser Entwicklung wurde Carl-Zeiss Jena dazu vergattert, eine Kamera für den kleinen Mann zu entwickeln. Die in solchen Dingen unbeleckten Jenaer Konstrukteure konzipierten ein völlig neues Modell, die Werra, die mit interessanten Features aufwartete.
Insbesondere der Filmaufzug über einen Ring am Objektiv war eine sensationelle Neuerung. Mehrere Ausführungen von der Werra I bis V wurden in der ersten Generation 1954-62 auf den sozialistischen Markt gebracht.
Die vorliegende Werra III bezitzt als zusätzliches Merkmal einen Schnittbildentfernungsmesser. Das Objektiv ist austauschbar. Sehr helle Rähmchen im Sucher informieren über den entsprechenden Bildausschnitt in Abhängigkeit von der Brennweite. (Umfangreiche Informationen zur Geschichte und Funktionsweise finden sich hier. )