TLR

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Sie ist mit Sicherheit die bekannteste Reporterkamera der Welt – die Rolleiflex des Braunschweiger Herstellers Franke&Heidecke. In ungezählten Schwarz-Weiß-Streifen der 50er und 60er Jahre, von Stahlnetz bis Edgar Wallace, tauchte sie immer dann am Hals eines Fotografen auf, wenn alle Register hinsichtlich der Klischees einer parasitären Paparazzi-Presse gezogen wurden. Die 1928 erstmals vorgestellte Kamera setzte auf robuste Materialien und Bedienkomfort
Waren die ersten Modelle noch vergleichsweise einfach ausgestattet, entwickelte sich über die Jahre die Rolleiflex zu einem der besten Allrounder seiner Zeit, dabei verschleißarm und zuverlässig.
Die ersten TLRs sollten vor allem ein Problem besser in den Griff bekommen: Das Scharfstellen. Bisher gab es keine Möglichkeit, das zu fokussierende Motiv hinsichtlich der Entfernung direkt zu kontrollieren.

Zwar war das Spiegelreflexsystem bereits am Ausgang des 19. Jhds erfunden worden, fand aber nur bei wenigen Plattenkameras Verwendung. Franke&Heidecke behalfen sich mit einem Trick. Oberhalb des eigentlichen Objektivs konstruierten sie einen zweiten Lichtschacht mit einem zweiten Objektiv, das die Abbildung über einen Spiegel nach oben leitete. Beide Linsen waren auf einer Platte befestigt, die sich mittels Rendelschraube bewegen ließ. War das Bild im Fokus scharf, musste es das zweite, nahezu identische Bild, das auf den Film projeziert wird, auch sein. Die Paralaxe konnte bei größeren Entfernungen vernachlässigt werden. Später gab es Konstruktionen mit mechanischem Paralaxenausgleich.
Die erste Generation (1928-32) der Rolleiflex besaß noch keinen automatisierten Bildschritt und keine Doppelbelichtungssperre. Allein, die Fotos können sich dank des 6x6er Formats und dank des verwendeten Tessars sehen lassen.


1937 gelang dem Hersteller ein weiterer Innovationsschub. Der Rolleiflex Automat besaß nunmehr einen automatischen Bildschritt, der mit einer seitlichen Kurbel betätigt wurde. Doppel- und Fehlbelichtungen gehörten von nun an der Vergangenheit an. Der grandiose Erfolg gab den Braunschweigern recht. Sie erweiterten ihr Sortiment um eine abgespeckte Variante, die Rolleicord und die Baby Rollei (4×4). Auch gab es fortan zahlreiche Nachahmer, wie Welta, Voigtländer, Lomo (UdSSR), Meopta (Tschecheslovakei). Mehrere japanische Hersteller blieben dem Konzept bis in die 70er Jahre treu.
Trotz der Massenherstellung konnte Rollei das Qualitätsniveau halten, ein Grund, weshalb die Apparate auf dem Gebrauchtmarkt bisweilen vierstellige Summen erzielen, insbesondere, wenn sie mit dem Zeiss Planar Spitzenobjektiv ausgestattet sind. Ab 1960 sollte sich das Blatt wenden. Immer mehr Fotoamateure und auch Profis wandten sich dem Kleinbildformat zu. Inzwischen gab es sehr brauchbare Apparate, von denen die Exakta Weltruhm erlangte.

Immerhin knipste sogar Brigitte Bardot mit ihr. Am Ende trug die Nikon F den Sieg bei den Reporterkameras davon. Auch hatte sich die Qualität des Filmmaterials derart verbessert, dass das höher auflösende 6×6-Format mit gerade 12 Aufnahmen pro Film an Attraktivität einbüßte.
Das vorliegende Modell dürfte aus den 50er Jahren stammen. Es ist sehr gut erhalten und funktioniert tadellos. Der Bedienkomfort ist beachtlich. Neben dem normalen Sucherbild von oben und dem Sportsucher gibt es einen weiteren Klappspiegel, der das Fokussieren in horizontaler Ausrichtung gestattet. Das 3,5er Tessar war seinerzeit immer noch guter Standard und mit Verschlusszeiten zwischen einer und 1/500stel Sekunde ist man den meisten fotografischen Situationen gewachsen. Nicht umsonst wurden die Begriffe Mittelformat und Rolleiflex jahrzehntelang wie Synonyme gebraucht.


Der aus dem Zusammenschluss von mehreren einzelnen Herstellern hevorgegangene Superkonzern Zeiss Ikon wachte mit Argusaugen darüber, was die Konkurenz an Neuerungen vollbrachte. So wie nach dem überragenden Erfolg der Leica man daran ging, eine eigene Messsucherkamera zu entwickeln, die als Contax 1932 das Licht der Welt erblickte. Ebenso war den Machern in Dresden der Erfolg der Rolleiflex nicht entgangen.1934 versuchte man mit der Ikoflex eine TLR am Markt zu platzieren. Allein, der Erfolg war mäßig. Der Apparat war ein Ungetüm mit dicken Backen, hatte man doch im Gegensatz zu Franke&Heidecke den Filtransport horizontal konstruiert, was zusätzlichen Raum links und rechts des Objektivmoduls benötigte. Bis heute wird die Kamera „Kaffeekanne“ genannt, da sie einer Kaffeekanne aus der militärischen Ausstattung des 1. Weltkriegs ähneln soll (Netzbehauptung, nicht belegt).
Mit der 1935 vorgestellten ersten Contaflex blieb man bei dem gleichen Konzept. In den 50er Jahren wurde dieser Name für einäugige SLRs mit Zentralverschluss verwendet. 1936 kam eine Ikoflex mit vertikalem Filmverlauf heraus.
Endlich hatten es die Konstrukteure begriffen, dass man das Fahrrad nicht zweimal erfinden muss.

Über die Jahre gab es etliche Modifikationen. Sogar eine Kurbelversion gab es mit der Ikoflex III.
Beim vorliegenden Modell handelt es sich um eine IIa, gebaut von 1950-52. Im Vergleich zur oben beschriebenen Rolleiflex aus dem gleichen Zeitraum darf man anerkennen, dass es hinsichtlich der Bildqualität keine signifikanten Unterschiede gibt. Die Handhabung ist freilich umständlicher, als beim Vorbild. Schon das Einlegen des Films ist eine Tortour, die beim ersten Mal nur mit einem Video-Tutorial bewältigt werden konnte. Für das folgende Bild muss man den Film von Hand weiter spulten und den Auslöser extra aufziehen. Bei der Rolleiflex erledigt all das der Automat durch Betätigen der Kurbel. Das Fensterchen für den Bildzähler ist so klein, dass selbst Menschen mit scharfem Sehvermögen eine Lupe brauchen. Zeiss Ikon hat es immer wieder gezeigt, dass gut gemeint noch lange nicht gut bedeutet, ein Motiv, dass sich die ganze Firmengeschichte, insbesondere die westliche nach ’45, hindurchziehen sollte.


Zweiäugige Spiegelreflexkameras sind der Typ Fotoapparate, deren Technologie spätestens Mitte der 60er Jahre ausentwickelt waren und aktuell fast gänzlich ausgestorben sind. Die vor ein paar Jahren auf den Markt gebrachte Rolleiflex FX-N ist lediglich ein Neuaufguss, um der in Mode gekommenen „analogen“ Fotografie ein Marktzipfelchen abzugewinnen. Auch Leitz brachte unlängst eine vollmanuelle Leica der M-Serie heraus. Beide Modelle bewegen sich irgendwo im 5000€-Bereich, also dort, wo Enthusiasten nichts verloren haben, sondern Reiche und Superreiche sich vergnügen, wenn sie so gar nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld.
Umso schöner, dass die Plattform E-Bay, deren Geschäftsgebaren heute durchaus kritisch zu beäugen ist, Fans, Sammlern und anderen Verrückten die Möglichkeit gibt, an archaische Modelle zu gelangen, die es früher nur auf Flohmärkten, über das Durchforsten von Kleinanzeigen oder als zufällige Erbmasse zu ergattern galt.
Bewegt man sich auf Fischzug in der großen Bucht, erstaunt es einen, wie viele der alten Kisten noch unter die Leute gebracht werden wollen.

Beim Schielen auf den Preis gelangt man über kurz oder lang zu den TLRs aus ostdeutscher Produktion, denn sowohl die alten Originale von Franke und Heidecke als auch die asiatischen Clone Yashika, Mamiya u.a. sind bis heute vergleichsweise teuer und bewegen sich im drei- bis vierstelligen Bereich.
Die Kamera-Werke Tharandt hatten bereits 1934 angefangen, eine TLR mit Namen Reflekta herauszubringen, aufgrund seiner Einfachheit und des niedrigen Preises sogar erfolgreich. Nach dem Krieg ging es weiter mit einer verbesserten Version, aus der 1950 die Reflekta II entstand. Der 1948 enteignete Betrieb wurde 1952 den Welta-Werken in Freital zugeordnet, die nun in den Genuss der Technologie und deren Vermarktung kamen.


Die Reflekta wurde weiter verbessert. Schließlich erschien 1956 ein vollständig überarbeitetes Modell unter dem Namen Weltaflex, das, äußerlich attraktiv, an die westlichen Vorbilder heranreichen sollte. Dabei sind die Zutaten vergleichsweise simpel. Ein Dreilinser von Ludwig oder Meyer sorgt für die Bildübertragung auf das Filmmaterial, während ein Prontor-Zentralverschluß mit Belichtungszeiten von 1-1/250tel Sekunde seinen Dienst verrichtet. Gefüttert wird der Apparat mit dem guten, alten 120er (6×6) Film.
Vorliegendes Modell ist die zweite Version, die über einen Bildzähler verfügt und so dem Anwender das mühselige Ablesen am bisher üblichen roten Sichtfenster erspart. Die Weltaflex ist deutlich größer und schwerer als ihre Vorgängerinnen, macht aber einen solideren Eindruck. Die ganze Mechanik arbeitet sensibel und verleiht der Kamera eine wertige Ausstrahlung.
Da man den Apparat gemeinhin vor dem Bauch trägt und sich die Perspektive von der sonst gewohnten unterscheidet, gelingen Aufnahmen ganz eigener Art, wie ein erster Testfilm ergab. Leider war beim Entwickeln ein wenig Streulicht auf die Negative geraten, weshalb bei Gelegenheit ein zweiter Versuch ansteht.


Voigtländer gehört zu den ältesten Herstellern fotografischer Materialien. Bereits 1756 durch Johann Christoph Voigtländer gegründet, kümmerte man sich frühzeitig um die Entwicklung und Herstellung von Objektiven und Kameras. Der erste aus Metall gefertigte fotografische Apparat der Welt wurde 1849 produziert,10 Jahre nach der offiziellen Bekanntgabe der Erfindung der Photographie durch den Franzosen Daguerre. 1862 gründete man eine Zweigstelle in Braunschweig, eine Stadt, die zu diesem Zeitpunk an einem der Hauptverkehrsknotenpunkte der Eisenbahn lag.
Und ausgerechnet in Braunschweig hatten Franke&Heidecke die erste TLR-Kamera produziert. Vielleicht lag es an dem gemeinsamen Standort, das Voigtläner schon bald mit einem ähnlichen Modell in Erscheinung trat.
Die Voigtländer Brillant wurde 1932 vorgestellt und besaß ein Metallgehäuse. Was ihr nicht gegeben war, war ein an die Entfernungseinstellung gekuppeltes zweites Auge.

Dafür war die Brillant mit einem überdimensionierten, daher namensgebenden, Brillat-Sucher ausgestattet, der ein sehr helles Abbild des fokussierten Motivs zeigte, immer scharf, unabhängig von der Entfernung. Die Einstellung hierfür musste der Lichtbildner tradtionell am Objektivring vornehmen. Das hieß, die Entfernung schätzen oder mit einem zusätzlichen Entfernungsmesser arbeiten.
Ab 1938 verwendete der Hersteller Bakelit als Werkstoff für die Gehäuse. Was heute als abwertend und billig empfunden wird, galt seinerzeit als fortschrittlich. Viele Gebrauchsgegenstände, vom Telefon bis zum Volksempfänger, konnten kostengünstig in beliebiger Form hergestellt werden.
Ab 1939 produzierte Voigtländer Spitzenmodelle, bei dem es endlich die Möglichkeit der Distanzkontrolle über der Lichtschacht gab, ohne das man fürderhin auf die simplen Einsteiger-TLRs wie links im Bild verzichtete.