Exa I

Als 1951 die EXA – die (0) ist eine heute gebräuchliche Ergänzung zur besseren Übersicht – in Serie ging, hatte sie bereits eine Entwicklungszeit von einem Jahr hinter sich. Gedacht als preiswerte Alternative zur ungleich teureren Exakta Varex war sie mit hochwertigem Zubehör der großen Schwester (Objektive, Sucher) kompatibel. Die ersten Apparate wurden mit einer kürzesten Belichtungszeit von 1/250s angegeben, was aber eher der Phantasie der Konstrukteure als den Realitäten entsprach. Die besondere Konstruktion des Klappverschlusses setzte physikalische Grenzen.

Die Folgemodelle wurden mit einer kürzesten Verschlusszeit (real und angegeben) von 1/150s ausgeliefert. Bequem auch die klappbare Rückwand, die bei den Nachfolgern (EXA I ab 1962) durch eine abnehmbare Rückwand ersetzt wurde. Rätselhaft ist immer wieder, warum praktische und bewährte Konstruktionsmerkmale in den 60ern ersatzlos gestrichen wurden. Ihagee hatte mit der Spiegelreflexkamera für Einsteiger einen großen Wurf gelandet.
Über eine viertel Million Stück wurden in den 50ern abgesetzt, klein, handlich, mit der Option, hochwertige Objektive von Zeiss, Meyer od. günstige von Ernst Ludwig zu benutzen. Das Basismodell ohne Linse gab’s im Westen für etwa 100,- D-Mark, die Exakta war vier mal so teuer. Vorliegendes Modell (etwa 1956) habe ich mit dem unterdessen recht seltenen 50mm Tessar f/3,5 benutzt. Die Ergebnisse übertrafen die Erwartungen des Knipsers und beweisen, dass ein Fotoapparat nach über 60 Jahren klasse Bilder macht.


1954 wurde die EXA-Produktion ins thüringische Sömmerda ausgelagert. Man wollte Kapazitäten frei bekommen und bei Rheinmetall neue Fertigungsstrecken aufbauen. Schon ein Jahr später wurde das Vorhaben als gescheitert angesehen und die Produktion der als System-Exa bezeichneten Kamera eingestellt. Der hohe Dresdner Standard konnte nicht gehalten werden. Durch laufende kleinere Änderungen an der Konstruktion kam es zu ständigen Qualitätsschwankungen verbunden mit vielen Reklamationen und letztlich unzufriedenen Kunden. Hatte die Rheinmetall-EXA Mitte der Fünfziger einen schlechten Ruf, ist sie heute umso begehrter bei Fans und Sammlern.

Eine gut erhaltene Sytem-Exa kann gern mal das Dreifache des Preises für ein Modell der oben gezeigten Version (EXA [0]) erzielen. Der Knipser hatte wieder mal Glück. Es gelang mir ein original erhaltenes, funktionstüchtiges Modell zu einem annehmbaren Preis zu ergattern. Im Gegensatz zur Dresdner EXA von 1956 ist das Metall der Kamera aus Sömmerda stumpf, ebenso wie die Oberflächen von Objektiv und Lichtschachtsucher. Die Funktionsweise ist identisch.


Und noch einmal sollte an der EXA (0) herum gefummelt werden, ohne dass wir es mit wesentlichen technischen Verbesserungen zu tun bekamen. Ab 1959 gab es das Modell mit geprägtem Schriftzug analog zur Exakta Varex IIa aus dem gleichen Jahr. Im WEB wird wiederholt darauf verwiesen, dass die Bezeichnung „Jubiläumsexa“ falsch sei. Nun, zur besseren Identifizierung mag der Terminus gut genug sein, weshalb ich an der Stelle bei dem Begriff bleibe. Ein Jahr später kam das Modell „1961“ in die Läden, das mit einer überarbeiteten Frontplatte mit Plastik-Schildchen versehen war. Von nun an sollte es auch mit der EXA bergab gehen.

Technisch gab es keine wesentlichen Veränderungen mehr. Weder eine TTL-Belichtungsmessung noch verbessserte Belichtungszeiten fanden in der 1er Modellreihe Verwendung. Die EXA II und ihre Nachfolger waren von der Verschlusskonstruktion völlig anders geartet und sollen an späterer Stelle weiter betrachtet werden. Am Ende der Entwicklung stand die EXA 1c, ein hässlicher Klumpen Kunststoff mit M42-Gewinde, der in den Produktionsstätten des Certo-Kamerawerkes hergestellt wurde. Doch da war das Schicksal der ruhmreichen Ihagee Dresden längst besiegelt.


1961 gab es eine Veränderung, die rein optischer Natur, in der Rückschau eine einschneidende Veränderung einleitete. Bei der großen Schwester Eaxakta gab es seit dem Zeitpunkt anstelle der seit Jahrzehnten angewandten Metallgravur ein Plastikschildchen mit dem Namen des Apparates. So auch bei der EXA, wenngleich sich ansonsten nichts geändert hatte. Ob die paar Gramm Kunststoff tatsächlich zur Kostensenkung beitrugen, darf bezweifelt werden, denn der Fertigungsauffwand wog den Faktor mit Sicherheit wieder auf. Hinsichtlich ihrer technischen Möglichkeiten blieb die Kamera am unteren Ende der Einsteiger SLRs.

Ein Jahr später erhielt die Reihe mit der EXA I ein verändertes Gesicht. Das Gehäuse war komplett neu entworfen worden. Weniger ziehrlich, beinahe etwas bullig, konnte man die Rückwand leider nicht mehr aufklappen, sondern nur komplett abnehmen, was unter beengten Reisbedingungen in Bussen oder Bahnen das Filmeinlegen nicht einfacher machte.


Gute alte EXA I, diese hier etwa 1962/63 gebaut, meinem Altvorderen halb entwendet, halb wohlwollend mir von ihm überlassen, ein treuer Reisebegleiter in den Endachzigern u. bis Mitte der Neunziger. Robuster, vollmechanischer Body ohne Schnick und Schnack, galt als preiswerte Kamera für die Massen, war aber mit dem Zubehör der teureren Exakta Varex kompatibel. Die Ihagee Dresden war bis Anfang der 70er eine eigenständige Produktionsstätte. Mit Übernahme durch das Kombinat Pentacon (Praktica) starb die Linie Exa/Exakta allmählich aus. Neuentwicklungen waren nicht mehr auf der Tagesordnung.

Das Kit-Objektiv, ein 50er Tessar aus dem Hause Carl Zeiss, brachte Erstaunliches an Auflösung u. Abbildungsleistung, selbst mit Westfilmen (hier alte Aufnahmen aus Athen, Amsterdam u. Paris 1990-92). Davon können Nutzer heutiger Billigheimer-Superzooms nur träumen. Die Exa’s der 1er Serie verfügten nicht über den bereits allseits üblichen Rückschwingspiegel. Nach Auslösen war’s erst mal dunkel im Schacht. Dafür war der Verschluß butterweich, ein Verreißen oder Verwackeln nur durch Ungeschick möglich. Die Konstruktion war schon besonders. Bei dem speziell entwickelten Klappverschluss übernahm der Spiegel die Aufgabe des ersten Tuchvorhanges. Die kürzeste Verschlusszeit war ab der EXA I von 1/150stel auf 1/175stel geschrumpft worden, nicht gerade ein technischer Durchbruch.


1964 kam eine verbesserte Version, die EXA 1a, heraus, die endlich einen Schnellspannhebel hatte. Außer einigen Äußerlichkeiten, das Rückspulrad war etwas kleiner, die Sucher hatten ab 1967 eine durchgehende Belederung, war das jedoch schon alles. Die Ihagee hatte im DDR-Kontext ihre Existenzberechtigung verloren. Die Exakta spielte im Verlauf der 60er Jahre international eine immer geringere Rolle und taugte kaum noch als Devisenbringer. Der Staat stellte immer weniger Investitionsmittel bereit, und die flossen in die Weiterntwicklung der Praktica. So kam, was kommen musste. Die Ihagee wurde dem Kombinat Pentacon angegliedert.

Die Kamera ist aktuell nicht viel wert, meist für deutlich unter 20€ zu kriegen. Das abgebildete Domiplan ist ein einfacher Dreilinser, der zur Basisausstattung gehörte. Als Familienknipse genügte die EXA dem Durchschnitts-DDR-Bürger vollkommen. Ambitionierte Fotoamateure nutzten sie auch als Zweitapparat, so steht es mehrfach im WWW zu lesen, weil das Exakta-Zubehör kompatibel gewesen sei. Das habe ich abgeschreiben. Ob es wirklich so war, weiß ich nicht .


1977 hatte man sich endgültig vom Exakta-Bajonett verabschiedet. Pläne dafür lagen schon länger in der Schublade. Erste Prototypen mit M42-Gewinde soll es bereits 10 Jahre zuvor gegeben haben. Immerhin erhielt die EXA 1b auch den Stößel für Objeltive mit Automatikblende, eine Erfindung der DDR aus dem Jahre 1955 (siehe Praktica FX2). Das hatte den Vorteil, dass Linsen bis 135mm, die es für die Prakticas in beachtlichen Mengen gab, an der kleinen EXA zum Einsatz gebracht werden konnten. Carl Zeiss Jena produzierte hierfür sogar extra Objektive, die sich bei näherer Betrachtung als Tessare entpuppten, erkennbar an einem „T“ auf dem vorderen Ring.

Auch das einfache Domiplan gab es inzwischen mit Druckblende. Es darf nicht vergesssen werden, dass sich die Systemauseinandersetzung zwischen Ost und West auch und vor allem sichbar für den Bürger im Konsumtionsbereich abspielte. Die DDR stand durch Westfersehen und westverwandschftliche Kontakte ständig unter dem Druck zu beweisen, dass sie die Bedürfnisse ihrer Bewohner befriedigen konnte. Das bedeutete für viele Artikel, dass sie in ausreichender Menge bereit gestellt werden mussten, was mit zunemender Geldknappheit immer weniger gelang. Manch ein Fotobegeisterter war froh, wenigstens eine EXA zu besitzen. Die Dinger waren zuverlässig und nahezu unkaputtbar.


Nachdem der Pentacon-Konzern, in der DDR hieß das ‚Kombinat‘, sich die Reste der Ihagee einverleibt hatte, wurde die Produktion der EXA 1b in die Certo-Werke verlagert, ein Betrieb, der immerhin bis 1972 in privater Hand war. Eine Weile wurden die 1b und die EXA 1c parallel verkauft.
Bei ihrem Erscheinen 1985 befand sich die DDR zumindest wirschaftlich längst in der Krise. Die Sowjets verhökerten ihre Rohstoffe lieber selbst auf dem Weltmarkt, als sie an die sozialistischen Bruderstaaten zu verschenken, die sie dann gewinnbringend dem NSW (Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet) anboten.

Pentacon hatte mit der B-Reihe der Praktica nochmals einen Versuch gewagt, zur Weltspitze aufzuschließen. Inzwischen hatte die westdeutsche Kameraindustrie faktisch aufgehört zu existieren, die Bedingungen waren also gar nicht so schlecht. Aber gegen die ökonomische Power der Japaner hatte der sozialistische deutsche Staat, ja selbst der Westen, nichts mehr entgegen zu setzen. Heimelektronik und Feinmechanik bezogen die großen Ketten inzwischen aus Asien. Man darf sich das ansatzweise vorstellen, wie die chinesischen Verhältnisse des 21. Jahrhunderts. Die EXA 1c war, wie sie war. Schwarz, aus Plastik, ein 20 Jahre altes Design und eine 50 Jahre alte Technik – letztlich bleibt alles eine Frage des persönlichen Geschmacks, aber der Knipser kann ihr nichts abgewinnen. Sie sei hier der Vollständigkeit halber beschrieben.