Ein Fernrohr für die Kamera

Tamron 150-600mm G2

Wer scheue Vögel, ganz gleich ob gefiederter oder menschlicher Natur, fotografieren will, braucht Brennweite. Und Brennweite ist teuer. Bis heute gibt es Objektive jenseits der 400mm, die den Gegenwert eines Kleinwagens kosten können. Das teuerste Objektiv von Canon mit 1200mm Festbrennweite gibt es ab 23.000€. Doch auch für ein gehobenes L-Objektiv mit einem Zoombereich von 100-500mm darf der Lichtbildner um die 3.000€ auf den Tisch legen. Canon hat eine Reihe bezahlbarer Modelle raus gebracht, die sich allesamt durch einen vergleichsweise hohen Blendwert am unteren Rand der Skala auszeichnen. Der ist dem Umstand geschuldet, dass die aktuellen Sensoren mit hohen ISO-Werten auch jenseits ISO3200 keine Probleme haben. Zudem ist die Bearbeitungssoftware inzwischen extrem leistungsfähig. Mit Lightroom oder Topaz ist Bildrauschen längst Geschichte.

Dennoch halten Blendwerte von 8 oder 11 das Entzücken des Fotoenthusiasten in Grenzen. Und selbst Canons L-Linsen zeigen mit 7.1 beim 100-500er oder Blende 9 beim 200-800er keine rekordverdächtigen Werte. Bei den 600er und 800er Festbrennweiten begegnet uns der Wert 11, der als „Offenblende“ die Bezeichnung nicht verdient. Sowas geht dann wirklich nur noch bei eitel Sonnenschein.

Dergleichen Gedanken kursierten im Kopf des Knipsers, als er, hervorgerufen durch mehrere Fahrten mit dem väterlichen Sportboot, die Schönheit der Wasservogelwelt erleben durfte. Mit 300mm kommt man nicht weit und vor allem nicht nah genug ran, um einen Kormoran beim Sonnen formatfüllend festzuhalten.

Bild rechts: Kormoran, EOS R5 mit 300mm, gecropt und stark nachbearbeitet

Ich erinnerte mich, dass ich vor 10 Jahren ein 150-600mm Tamron-Tele in der Hand hatte und mit dessen Anschaffung liebäugelte. Die fotografischen Sujets änderten sich und das Rohr geriet aus dem Blickfeld. Das Modell kostete seinerzeit schon bald unter 1000€. Grund genug für den Hersteller, eine Nachauflage mit verbesserter Ausstattung zu präsentieren. Das G2 hat einige ausgeklügelte Features, einen schnelleren Autofokus und einen verbesserten Bildstabilisator, zudem einen Blendwertbereich von 5-6,3, ein Spektrum, wovon Canon-RF-User nur träumen können. Bei einer Länge von 27cm und einem Gewicht von 2kg kommt es auf den notwendigen EF-RF-Adapter auch nicht mehr an, so die Überlegung. Die Gebrauchtpreise für ein gut erhaltenes Exemplar bewegen sich zwischen 600 und 800 Euro. Was sich im Kopf festsetzt, geht da nicht wieder raus. Ich erwischte ein G2-Modell in ordentlichem Erhaltungszustand und konnte es bei dem netten Vorbesitzer in einem anhaltinischen Dorf sogar ausprobieren.

Der Umgang erfordert etwas Übung. Zweieinhalb Kilo mit Kamera wollen erst mal gehalten werden. Und doch gelingen mit etwas Geschick und beim NVA-Gefechtsschießen erlernter Atemtechnik scharfe Bilder aus der Hand mit einer 60stel Sekunde. Die Ergebnisse sprechen für sich, die Abbildungsleistung ist mehr als zufriedenstellend. Warum ausgerechnet „Traumflieger“ seinerzeit einen abartig schlechten Testbericht veröffentlichte, ist nicht nachzuvollziehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert