Ich fotografiere, um herauszufinden, wie etwas aussieht, wenn es fotografiert wurde. (Garry Winogrand)
Das dritte Auge ist unser Zentrum für Weisheit und Erkenntnis. Es ist ebenso ein Symbol für das besondere Sehen. Verbinden Sie mit dieser Aussage im Alltag naturgemäß einen Bereich, der eher im Transzendentalen zu verorten ist, einen Bereich, der in seiner Betrachtung Esotherikern, religiösen Menschen oder einfach Spinnern vorbehalten bleibt, soll es uns hier um ein anderes Sehen gehen, dass sehr gegenständlich an materielle Substanzen und Apparaturen gebunden ist.
Als es 1826 Nicéphore Niépce das erste Mal gelang, einen Ausschnitt seiner Umwelt allein durch physikalische Prozesse als Abbild auf eine mit Naturasphalt beschichtete Zinnplatte zu bannen, begann eine Entwicklung, die an Dynamik und qualitativen Sprüngen ihresgleichen sucht.
Die Fotografie, oder besser Photographie, ist eine Kunst, die der Begrifflichkeit nach nichts anderes bedeutet, als mit Licht zu zeichnen (algriech. ‘photós’ -– Licht, und ‘graphein’ -– malen, zeichnen, schreiben).
Hier wächst eine Webseite zu diesem Thema. Sicher werden Sie denken, gibt es denn nicht schon genug dazu, Bücher, Webseiten, Beiträge in sozialen Netzwerken?
Aber kann man einen Bereich der Kunst, zu dem ich die Fotografie rechne, überhaupt erschöpfend behandeln?
Die erste bekannte Fotografie (Nicéphore Niépce 1826, retuschierte Fassung – Quelle: Wikipedia)
In lockerer Folge stelle ich Bilder aus meinem fotografischen Alltag vor, ferner alte Kameras, Literaturempfehlungen und Web-Sites rund um die Fotografie, die mir interessant erscheinen. Sie sind bis hierher gekommen und stellen fest, es ist viel Text? Seien Sie versichert, das ist Absicht. Aber keine Sorge. Es gibt genug zu klicken und zu sehen
Ein kleiner Junge bekam früher mit sechs oder sieben Jahren den ersten Fotoapparat, meist eine Plastikschachtel mit einfacher Linse, auf der mit einem Rädchen die Symbole „Sonne“ oder „Wolken“, bei besseren Modellen sogar ein „Blitz“ oder ein „B“ zu wählen waren. Voller Ehrfurcht saß der Knirps vor dem Wunderwerk der Technik und konnte nun dem Vater nachmachen, was er im Urlaub so oft beobachtet hatte. Er zielte auf sein Gegenüber und nach ein paar Wochen hielt er kleine grau-weiße Bildchen in den Händen, auf denen mit etwas gutem Willen das Konterfei des jeweils Abgelichteten nebst anwesender Architektur oder Landschaft, im besten Falle Ostseestrand, zu sehen war.
Ein wenig enttäuscht war er schon, denn die Fotoapparate der Erwachsenen sahen so ganz anders aus, als seine Plastikschachtel. Vor lauter Chromstahl glitzerten sie im Licht und hatten viel mehr Knöpfe und Rädchen. Irgendwie sahen die Bilder des Vaters auch anders aus als die eigenen.
Kein Wunder, war die „Pouva“ allenfalls eine leicht verbesserte „Camera obscura“ en miniature, darüber konnte auch die fest eingebaute Linse (Brennweite 42mm, f/11) und der simple Verschluss mit Sonnen- und Wolkensymbol – wahlweise 60tel oder 125tel Sekunde – nicht hinweg täuschen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein wirklich gutes Foto damit geschossen zu haben. Was Eltern manchmal ihren Kindern antun, durfte der Knipser erleben, wenn sie die Träume der Nachkommen halbherzig erfüllten u. immer die billigste Gitarre kauften, Modelle allenfalls hinreichend zum Abgewöhnen, mitnichten zum Erlernen des Instrumentes. „Wir wissen ja nicht, ob er/sie dabei bleibt.“ (Mit diesem Stück Holz ganz bestimmt nicht!)
Liebe Eltern! Mit einer 69,-€-Gitarre kann man niemals Musiker werden, mit einer 10-Mark-Knipse niemals Knipser!
Der Junge gewöhnte sich das Knipsen nicht ab, sondern sparte eisern auf ein Modell, das man guten Gewissens „Fotoapparat“ nennen konnte. Mit 10 Jahren war es dann soweit. Dank des ausgeklügelten Sekundärrohstoffsystems der alten DDR sowie gelegentlicher finanzieller Zuwendungen von Seiten der Großmütter erwarb er eine russische „Smena Symbol“, jene welche im Gegendsatz zur sehr erfolgreichen „SL“ gewöhnliche 35mm Filmpatronen á 36 Bilder schluckte. Was für ein Zugewinn: 5 wählbare Verschlusszeiten (1/15 -1/250), dazu ein Blendenring stufenlos regelbar von f/4-16. Das 40mm-Objektiv war durchaus in der Lage, scharfe Bilder zu erzeugen, vorausgesetzt, man hatte die Entfernung richtig geschätzt. Die erste Photographie, die für mich auch heute noch Bestand hat, entstand im Sommer 1976 auf Rügen – Sonnenuntergang mit Steinbuhne.
Lomo Smena Symbol aus den 70ern.