Digital

Beschäftigen wir uns heute mit dem Sujet Fotografie, meinen wir gemeinhin die digitale Fotografie, die einerseits älter ist, als viele glauben, andererseits den jüngsten Abschnitt der Fotografiegeschichte betrifft.

Versuche, Bilder elektronisch zu erfassen, zu zerlegen und wiederzugeben, gehen eng mit der Entstehung des Fernsehens einher. Die Pioniere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigten, dass es möglich war, Bilder elektronisch zu erzeugen und zur Ansicht zu bringen. Manfred von Ardenne, der auf der Funkausstellung 1931 erstmals in Deutschland ein vollelektronisches Fernsehen vorstellte, gilt bis heute als einer der Vorreiter der Entwicklung.
Eine andere Voraussetzung, die spätestens mit Conrad Zuses Z3, dem ersten funktionsfähigen Digitalrechner von 1941 geschaffen war, zeigte, dass es möglich ist, jedwede Daten in binäre Strukturen zu wandeln, also Gebilde, die aus den Zahlen Null und Eins bestehen, Zahlen, die in jeder Sprache der Welt ihre Entsprechung finden. Es war nur eine Frage der Zeit, dass Medien erfunden wurden, die diese Daten auf engstem Raum speichern konnten.
1968 wurde der erste Bildsensor zum Patent angemeldet. 1969 gelang Willard Boyle und Geoge Smith der Durchbruch mit der Entwicklung eines lichtempfindlichen Chips, mit dem kurzzeitig Bilder auf einer aus Fotodioden (Pixeln) bestehenden Oberfläche gespeichert werden konnten. Der Grundstein für die Entwicklung der digitalen Fotografie war gelegt.
Die erste 1972 vorgestellte Digitalkamera wog satte zehn Kilo. Zur Bildaufnahme diente eine Bildaufnahmeröhre, mit der Bilddaten auf eine neunspurige Magnetbandkassette geschrieben wurden. Die Auflösung betrug 256×256 Bildpunkte, das sind 0,065 Megapixel. Sicher ahnte damals niemand, dass es einmal möglich sein würde, mit einer Maschine, die kleiner als eine Tafel Schokolade ist, Bilder und Filmsequenzen aufzuzeichnen, drahtlos zu übertragen und in atemberaubender Qualität dem Betrachter zum Beschau zu bringen

Dass mit diesen Apparaten darüber hinaus Daten aller Art ausgetauscht werden können, auch das gesprochene Wort, hätte dem Durchschnittsbürger Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts als blanker Unsinn erscheinen müssen, nicht zu reden von heutigen Selbstverständlichkeiten allseits zugänglicher Daten, angefangen von den neuesten Nachrichten, über geografisches Kartenmaterial aus aller Herren Länder, bis hin zur unwichtigsten Befindlichkeit völlig unbekannter Personen, gepostet in den sozialen Netzwerken unserer virtuellen Welten.
Doch zurück zum Thema. Die Meinungen, welcher Zeitpunkt nun wirklich die Geburtsstunde der digitalen Fotografie markiert, gehen auseinander. 1981 gelang ausgerechnet der japanischen Firma Sony, die dem Nutzer als Erfinder des Walkmen und der Videokassette gilt, die Konstruktion einer Magnetic Video Camera (MAVICA). Um die Bilder an einem PC bearbeiten zu können, mussten diese alledings erst einer Digitalisierung unterzogen werden.

Sony Mavica von 1981 (Quelle: www.digitalkamera.de)

Alle in der Zwischenzeit vorgestellten Kameras von Canon (RC701), Nikon (SVC) u.a. mit elektronischer Bilderfassung basierten auf einer rein analogen Aufzeichnung mit anschließender Digitalisierung. Die erste wirklich digitale Kamera für den Konsumerbereich kam 1991 auf den Markt. Für sagenhafte 50.000DM brachte Kodak die CS-100 an den Start. Die gesamte Elektronik wurde in einem 5kg schweren Umhängepack untergebracht, das der Knipser mit sich herum schleppen musste.
Erfindungen und Entwicklungen um das Jahr 1990 setzten unabdingbare Rahmenbedingungen für den späteren rasanten Aufstieg der digitalen Fotografie. Personal Computer, v.a. jene der Firma Apple, wurden immer leistungsfähiger. Adobe stellte 1990 seine erste Version des bis heute wichtigsten Bildbearbeitungsprogramms, „Photoshop“, vor. Fujis Erfindung der Speicherkarte von 1988, damit die Möglichkeit, Bilddateien auf kleinstem Raum unterzubringen, revolutionierte die Branche.

Die Ein-Megapixel-Kamera PDC-2000 von Polaroid von 1996 gab den Startschuss für den Pixelwettlauf aller Hersteller. Die Camedia C-2000 von Olympus schaffte 1999 bereits 2 Megapixel. 2003 hatte Canon mit der für den professionellen Sektor konzipierten EOS 1D mit 6 Megapixeln die Nase vorn. Heute sind Einsteiger DSLR’s (Digital Single Lens Reflex) mit Werten zwischen 20 und 30 Megapixeln gewöhnlicher Standard. Im Profibereich ist Canon 2015 (EOS 5r u. 5rs) bei 50 Megapixeln für Kleinbild angekommen, das sich heute vollmundig „Vollformat“ nennen darf –, also Sensorgrößen von 36x24mm, eine Aufnahmefläche, die zu ‚analogen‘ Zeiten den Standard des kleinen Mannes darstellte.

Hasselblad brachte bereits 2009 im Mittelformat Sensorgrößen von 60 Megapixeln auf den Markt, welcher sich in diesem Bereich freilich recht übersichtlich gestalten dürfte. Die H3DII-60 kostete schlappe 23.000€.
Im Januar 2018 legte die Traditionsmarke mit High-End-Charakter nach. Mit der H6D-400C MS gibt es jetzt eine Mittelformatkamera mit 400 Megapixeln. Ob das ganze überhaupt einen Sinn hat, ist schwer vorstellbar. Abgesehen von der riesigen Größe der entstehenden Bilddateien von 2,4 GByte und der damit verbundenen Probleme bei der Weiterverarbeitung stellt sich die Frage, wenn es überhaupt Objektive gibt, die eine solche Auflösung adäquat abbilden können, ist das menschliche Auge in der Lage, so etwas wahrzunehmen? Mit 48.000 Euro ist so ein Brocken selbst von Profi-Studios kaum zu bewältigen. Ein Objektiv ist im Preis nicht inbegriffen.
Die auf der Homepage des Göteborger Herstellers präsentierten Fotos sind meisterlich, das steht außer Frage. Doch 1. werden bei derlei Vermarktungsaktivitäten naturgemäß entsprechend attraktive Motive gewählt. 2. wäre zu untersuchen, ob mit einer Nikon D850 oder einer Canon EOS 5D IV nicht ähnlich gute Ergebnisse erzielt würden, zieht man Betracht, dass der durchschnittliche Konsument sich Bilder meist auf dem Smartphone, allenfalls am heimischen Rechner oder Fernseher anschaut.

Polaroid PDC-2000 von 1996 – Mut zum Design! (Quelle: www.digicammuseum.de)

Hasselblad H6D-400C MS (Quelle: Hasselblad)